Clemens Ruthner, Trinity College Dublin

UmgangsFormen: k. k. koloniale Konstruktionen des/der bosnischen ‚Fremde(n)’ in österreichischen Texten um 1900

Im Anschluss an meine Überlegungen zu einer literaturwissenschaftlichen Imagologie (via Homo Bhabha) möchte ich mich in einer Weiterführung der Figur des Fremden phänomenologisch von Alteritätskonzepten her nähern. Aus Zeitgründen ist mir hier freilich eine intensive Auseinandersetzung mit der inzwischen umfangreichen xenologischen Theorie verwehrt: zu nennen seien nur kurz die Namen von Julia Kristeva, Bernhard Waldenfels und Rudolf Stichweh, die mich gleichsam in die Fremde begleitet haben. Die begriffliche Trennung des Fremden von dem und der Anderen habe ich mit Wolfgang Müller-Funk aus einigen der bereits genannten Quellen übernommen. Dabei möchte ich für meinen Gebrauch den Begriff der Fremde bzw. der Fremden als Term einer ‚ethnisch’ überwölbten Alterität engführen und ihn damit z. B. vom Begriff geschlechtlicher, sozialer, generationeller, monströser oder übernatürlicher Andersheit abgrenzen, wiewohl diese Konzepte in der diskursiven Praxis sich dann häufig als wechselseitig durchwirkte präsentieren.
In diesem Sinne werde ich einige Kernthesen referieren, die zur Problematik einer literarischen Repräsentation des Fremden hinführen. In einem zweiten Schritt werde ich dann zu Beispielen aus einer mir vertrauten literarischen Formation greifen, nämlich österreichischen Texten über das 1878 okkupierte Bosnien-Herzegowina, anhand derer ich 4-5 unterschiedliche Formen eines Umgangs mit dem Fremden skizzieren werde. Dies ist eine Auskoppelung aus meinem aktuellen Buchprojekt, das analysieren soll, wie die österreichische Kultur im 19. und frühen 20. Jahrhundert – und parallel zu ihr die reichsdeutsche – die bosnische Fremde und die dort lebenden Fremden konstruierte bzw. formatierte, und so der kolonialen Zurichtung des Landes durch die Habsburger Monarchie – ihrer sog. zivilisatorischen Mission – Vorschub leistete, zuarbeitete oder ihr in wenigen Fällen auch opponierte. Erste Textbausteine zu diesem Buch sind bereits erscheinen und etwa auf der Internetplattform Kakanien revisited (www.kakanien.ac.at) zugänglich.