Renate Hansen-Kokoruš, Universität Graz

Fluide Identitäten bei Miljenko Jergović und Aleksandar Hemon

Kernfragen der Imagologie stellen sich vorrangig im Spannungsfeld zwischen individuellen und kollektiven Wertvorstellungen. Identität erweist sich dabei als Konstrukt, das zwar individuell erfahren, aber nur in der Wechselwirkung mit kollektiven Vorstellungen entfaltet wird. Diese sind – auch wenn immer wieder stereotype, scheinbar unveränderliche nationale, regionale, geschlechtsspezifische, religiöse o.a. Zuweisungen zu beobachten sind – historisch entstanden und unterliegen daher auch solchen Veränderungen. Gleichzeitig sind vielfache Überschneidungen zwischen unterschiedlichen kollektiven (Selbst)Zuschreibungen zu beobachten. Bei der Findung des „Eigenen“ spielt Alterität als Abgrenzung vom Anderen eine wesentliche Rolle. Es zeigt sich unter globalisierten Bedingungen und auf dem Hintergrund der politisch-kulturellen Veränderungen im Südeuropa der vergangenen 20 Jahre, aber auch der historischen Enwicklungen des 20. Jhs. in diesem Raum, dass Identitätskonstrukte sich zwar über das Andere entwerfen, dieses aber zunehmend in sich aufnehmen und eigene Identität dadurch komplexer, aber auch brüchiger wird. Die Diskurse verschiedener südslawischer Identitäten im jugoslawischen, postjugoslawischen und amerikanischen Kontext, also im „Eigenen“ und verschiedenen Varianten des „Fremden“, betrachtet unter Aspekten historischer und individueller Reflexion und Fremdwahrnehmung, aber auch der Erinnerungsmuster fiktionaler Figuren, stehen im Mittelpunkt der Analyse ausgewählter Romane von M. Jergović (v.a. seiner „Autotrilogie“) und A. Hemon (Lazarus, The Question of Bruno).