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Snježana Zorić, Universität Zadar

Buick Rivera - ein imagoanthropologisches Lesen

Ausgehend von der Frage der interkulturellen Begegnung und der damit verbundenen Wahrnehmung des Anderen und seiner Darstellung, fokussiert sich diese Studie auf die Lebenswelt der zwei Protagonisten in Jergovics Roman Buick Rivera. Diese Welt erstreckt sich in der heterotopischen Spannung zwischen dem Land ihrer Herkunft, Bosnien, und dem Land ihrer Zuflucht, Amerika, und führt zu verschiedenartigen interkulturellen Vernetzungen, welche eine polylogische Kommunikation erfordern und durch Jergovics komisch narrativen Zynismus verschiedene mentale Bilder erzeugen, die Repräsentationen des eigenen und fremden Landes, bzw. des eigenen fremd gewordenen Landes darstellen. Der abstrakte Chronotop der Geschichte als fremdes Land ist durch seine geographische Spezifizierung festgelegt und durch literarische Imaginarien des Erzählers in den individuellen Charakteren aus Deutschland, Italien, Spanien und Syrien erweitert. Alle Bilder evozieren die historischen flows, auf deren Grundlage in jedem der Protagonisten verschiedene Selbstbilder und übergeneralisierte Bilder der Anderen hergestellt werden.
Weder in der Darstellung der chronotopoi Bosniens noch Amerikas sind interkulturelle Begegnungen möglich. Ihr ewiges Scheitern unterstreicht der Erzähler gerade durch die Figur des Komischen, die zwar manchmal zum Lachen führt, aber letztlich die Tragik der unüberwindbaren Differenzen eines multikulturellen Daseins hervorruft.
Da die Anthropologie in ihrer metaanthropologischen Ausformung der Frage ihrer Literarisierung nachgeht und ihre bisherigen Theorien und Methoden hinterfragt, wobei das Empirische und Fiktiv/Rhetorische in ein gemeinsames Feld rücken, könnte die Begegnung mit dem literaturwissenschaftlichen Ansatz zu einem wissenschaftstheoretischen Dialog und zur Erweiterung und Schärfung der theoretischen und methodischen Begrifflichkeiten führen.

Tanja Zimmermann, University of Konstanz

Jakob Philipp Fallmerayer: From Philhellenism to Balkanism

Around 1830, after the boom of philhellenic enthusiasm for Greece in the 1820s and its liberation in 1829, Europe had been seized by a wave of scepticism and disappointment. Philhellenes in Eastern and Western Europe realised that mythical heroes from Homer’s Illias and Odysee or Johann Joachim Winckelmann’s noble savages where not reborn in the modern Greece. Also their art, following the rules of orthodox iconography, did not correspond to “the noble simplicity and quiet grandeur” of classic sculpture, or to the archaic heroism of Phidias’ Elgin Marbles, praised by Canova and by Quatremère de Quincy. Historian Jakob Pilipp Fallmerayer (1790-1861), member of the Bavarian Academy of Sciences and Arts, came to believe that it was not the Ottoman conquerors who were to blame for the decline of classic Greek antiquity, but Slavic tribes migrating southwards whose blood had been infiltrated into the Hellenic race. The paper analyzes the displacement of orientalist discourses from Philhellenism to Balkanism, and thereby explores some origins of Balkan imagology.

Mirna Zeman, Universität Bamberg

Historische Alterität als gebrandete Identität: Imagologie und Praxeologie des Nation Branding

Im letzten Jahrzehnt macht sich auch in Südosteuropa in verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen die Tendenz zum Jump on the Brand Wagon bemerkbar. Projekte und Kampagnen, die in den Sphären der Public Relations, der Dienstleistungen, des Tourismus, des Sports und der Kulturindustrie in Kroatien, Serbien, Montenegro und anderen Ländern der Region gestartet wurden, veranschaulichen das Aufkommen einer neuartigen Maschine des Länderreputations-Managements namens Nation/Place Branding. Nation/Place Branding kann als ein Geschäft mit positiver Stereotypie verstanden werden, als eine ertragreiche Technik der Produktion kollektiver Identitäten via Verdinglichung, Vermarktung und Konsum der „temporalen Alterität“ der Geschichte und der folkloristischen Authentizitätsfiktionen. Weltweit grassierende raumbezogene Identitätspolitiken via Marketing, die reichlich aus dem Fundus des historisch Imaginären schöpfen, machen darauf aufmerksam, dass nationale Stereotype und historische Images nicht nur diskursive Konstrukte sind, sondern auch Artefakte, die durch das konkrete Tun hervorgebracht, praktisch gebraucht und zunehmend habitualisiert werden. Wenn die Imagologie mit ihrem Forschungsgegenstand, der sich zunehmend kommodifiziert und durch Markenkommunikation immer offenkundiger in die geldökonomischen Tauschprozesse entschlüpft, mithalten will, so wird man die Phänomene „nationale Stereotype“ und „historical imagery“ im Zusammenhang mit der Semiotik der Markenkommunikation und als wirtschaftliche Variablen neu denken müssen. Mein Beitrag, der sich aus imagologischer, praxeologischer und kritischer Perspektive mit einigen Beispielen der gebrandeten Nationen und Regionen Südost- und Westeuropas beschäftigt, stellt einen Versuch in dieser Richtung dar.

Clemens Ruthner, Trinity College Dublin

UmgangsFormen: k. k. koloniale Konstruktionen des/der bosnischen ‚Fremde(n)’ in österreichischen Texten um 1900

Im Anschluss an meine Überlegungen zu einer literaturwissenschaftlichen Imagologie (via Homo Bhabha) möchte ich mich in einer Weiterführung der Figur des Fremden phänomenologisch von Alteritätskonzepten her nähern. Aus Zeitgründen ist mir hier freilich eine intensive Auseinandersetzung mit der inzwischen umfangreichen xenologischen Theorie verwehrt: zu nennen seien nur kurz die Namen von Julia Kristeva, Bernhard Waldenfels und Rudolf Stichweh, die mich gleichsam in die Fremde begleitet haben. Die begriffliche Trennung des Fremden von dem und der Anderen habe ich mit Wolfgang Müller-Funk aus einigen der bereits genannten Quellen übernommen. Dabei möchte ich für meinen Gebrauch den Begriff der Fremde bzw. der Fremden als Term einer ‚ethnisch’ überwölbten Alterität engführen und ihn damit z. B. vom Begriff geschlechtlicher, sozialer, generationeller, monströser oder übernatürlicher Andersheit abgrenzen, wiewohl diese Konzepte in der diskursiven Praxis sich dann häufig als wechselseitig durchwirkte präsentieren.
In diesem Sinne werde ich einige Kernthesen referieren, die zur Problematik einer literarischen Repräsentation des Fremden hinführen. In einem zweiten Schritt werde ich dann zu Beispielen aus einer mir vertrauten literarischen Formation greifen, nämlich österreichischen Texten über das 1878 okkupierte Bosnien-Herzegowina, anhand derer ich 4-5 unterschiedliche Formen eines Umgangs mit dem Fremden skizzieren werde. Dies ist eine Auskoppelung aus meinem aktuellen Buchprojekt, das analysieren soll, wie die österreichische Kultur im 19. und frühen 20. Jahrhundert – und parallel zu ihr die reichsdeutsche – die bosnische Fremde und die dort lebenden Fremden konstruierte bzw. formatierte, und so der kolonialen Zurichtung des Landes durch die Habsburger Monarchie – ihrer sog. zivilisatorischen Mission – Vorschub leistete, zuarbeitete oder ihr in wenigen Fällen auch opponierte. Erste Textbausteine zu diesem Buch sind bereits erscheinen und etwa auf der Internetplattform Kakanien revisited (www.kakanien.ac.at) zugänglich.